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"Anke hat Zeit" für Harald Schmidt:

Der Entertainer löst seine Kulturstiftung auf und hat keine Sehnsucht nach der Late Night

Fernseh-Entertainer Harald Schmidt möchte junge Künstler nicht weiter fördern. In der Sendung "Anke hat Zeit" im WDR Fernsehen (Samstag, 4. Oktober, 21.45 Uhr) gibt er bekannt, seine öffentliche Kulturstiftung aufzulösen: "Wir haben gerade den Auflösungsantrag gestellt". Im Jahr 2007 hatte Schmidt zusammen mit seinem Geschäftspartner Fred Kogel die "Kogel & Schmidt Stiftung" ins Leben gerufen, um Aufführungen klassischer und zeitgenössischer Musik und darstellende Kunst zu fördern. "Wir haben gefördert, was das Zeug hielt, aber irgendwann heißt es dann: Fordern statt fördern", so Schmidt.

Schmidt sieht keinen Sinn mehr in der Talentförderung. "Es gibt keine verkannten Genies, das ist meine Erfahrung. Die meisten, die arme Schlucker sind, sind es zurecht." Schmidt pointiert: "Jeder, der zwei Grimassen im Keller schneidet und sagt: ,Ich lehne das bürgerliche Theater ab', dem muss man ehrlicherweise sagen: Das bürgerliche Theater dich auch." Finanzielle Unterstützung sei für künstlerische Karrieren nicht zwingend erforderlich: "Es scheitert sicher nie am Geld. Talent setzt sich immer irgendwann durch. Der echte Künstler ist arm und leidet für sein Werk und ist, ganz offen gesagt, auch bereit, für sein Werk zu sterben, wenn ihn die Gesellschaft ablehnt. So war das jedenfalls mit den Künstlern, die ich verehre."

Nach seinem alten Leben als Late Night Talker hat Harald Schmidt keine Sehnsucht. "Mir fehlt nichts. Es überrascht mich selbst, aber es kommt mir wie eine Befreiung vor, nicht mehr täglich das Weltgeschehen kommentieren zu müssen." Nichtsdestotrotz fährt er jeden Morgen in sein altes Büro, wie er im Gespräch mit Anke Engelke schildert. "Ich lese dann die Zeitung, bin froh, wenn mir noch ein, zwei Scherzchen einfallen, aber denke ansonsten: Gott sei Dank muss ich dazu nichts mehr machen. - Die Weltlage ist zurzeit auch wenig witzig. Und das Thema Fußball ist, seit es keinen Basler, Effenberg oder Matthäus mehr gibt, ohnehin weg gebrochen."

Im Frühjahr war die "Harald Schmidt Show" endgültig beendet worden. Insgesamt 19 Jahre hatte Schmidt die nach ihm benannte Show (darunter zwischen 2004 und 2011 im Programm des Ersten) moderiert. Rückblickend stellt er fest: "Es hat Spaß gemacht; aber dann ist etwas auch einmal zu Ende, und ich gehöre zu den wenigen, die das begriffen haben."

In den letzten Jahren seiner Show habe er mitunter den Kontakt zu seinen Gästen verloren. "Um 17 Uhr, eine Stunde vor der Aufzeichnung, findet man alle toll, da muss man sich ja programmieren. Aber in der letzten Zeit wusste ich bei den jüngeren Gästen schon nicht mehr, ob das eigentlich Musiker, Schriftsteller oder Schauspieler waren, die wir einluden. Die hießen dann irgendwie Milky feat. Sissi oder so ähnlich, kamen aber aus Münster oder Herne statt als Rapper aus Los Angeles. Am Ende hatten sie sogar einen schönen Auftritt, aber es war nicht mehr meine Musik."

"Anke hat Zeit" präsentiert in loser Folge Künstler, Querdenker und Talente, die man sonst nie oder zu selten im Fernsehen sieht. Gequatscht, gelesen und musiziert wird 90 Minuten lang, absolut subjektiv und mit ansteckender Leidenschaft im Wohnzimmer-Ambiente des Kölner Stadtgarten. Weitere Gäste am 4. Oktober sind der Sänger Clueso, die Musikerin Joan As Police Woman, der Kunstexperte Kasper König, die Blockflötistin Dorothee Oberlinger und der Autor, Musiker und Schauspieler Rocko Schamoni zu Gast. "Anke hat Zeit" ist kürzlich als beste Unterhaltungssendung mit dem Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen ausgezeichnet worden. Die Sendung ist eine Produktion des WDR in Zusammenarbeit mit der Initiative Kölner Jazz Haus.