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Veranstaltungsabbruch -

Von der Kunst, die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt zu treffen

In den letzten beiden Jahren mussten Veranstalter aus unterschiedlichen Gründen zur Ultima Ratio greifen und ihre Großveranstaltung absagen oder abbrechen. Während es im vergangenen Jahr Absagen aufgrund von Terrorwarnungen waren, z.B. die Radsportveranstaltung "Rund um den Finanzplatz Frankfurt / Eschborn" oder das Länderspiel der DFB-Elf in Hannover, ist man in diesem Jahr mit wetterbedingten Absagen bzw. Abbrüchen von Großveranstaltungen konfrontiert. Anfang des Jahres waren Karnevalsumzüge betroffen, die sturmbedingt abgesagt werden mussten. Jetzt wurde durch die Behörden das Festival Rock am Ring abgebrochen.

Es dürfte in allen Fällen den Behörden und den Veranstaltern nicht leichtgefallen sein, eine solche Entscheidung zu treffen. Es scheint aber, dass es auf der emotionalen Ebene einen erheblichen Unter-schied macht, ob die Absage aufgrund einer eher abstrakten (terrorbedingten) oder einer konkreten(witterungsbedingten) Gefährdung erfolgt. Woran liegt das?



Unter einem Gewitter kann sich die Allgemeinheit durchaus etwas vorstellen. Die hiervon ausgehende Gefahr, wird aber oft unterschätzt, weil die meisten Menschen nicht direkt von einem Blitzeinschlag getroffen wurden und in der Regel auch keine Person kennen, der so etwas widerfahren ist. Da jeder von uns den Wetterbedingungen täglich ausgesetzt ist, meinen viele, die Risiken beherrschen, bzw. die Auswirkungen herunterspielen zu können. Dazu kommt, dass Unwetterwarnungen oft nicht unmittelbar nachvollzogen werden können, da sie mit einem entsprechenden Vorlauf stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt ist das Wetter aber meist noch gut und der Wetterumschwung steht erst noch bevor. Deshalb stellt sich die allgemeine Akzeptanz bei wetterbedingten Absagen bzw. Abbrüchen als schwierig da.

Bei Terrorwarnungen ist es schwieriger, die hiervon ausgehende Gefährdung korrekt einzuordnen und als "Normalbürger" richtig zu verstehen. Bombenexplosionen und andere terroristische Aktionen kennt man in der Regel nur aus den Medien. Glücklicherweise haben nur die wenigsten Personen in Deutschland ein solches Ereignis am eigenen Leib erfahren müssen. Älteren Mitbürgern sind möglich-erweise noch die Terroraktionen der RAF in Erinnerung, die allerdings eher gegen hochrangige Personen aus Politik und Wirtschaft als gegen die Bevölkerung gerichtet waren. Somit scheint die Gefahr wesentlich abstrakter, als die Unwetterwarnung. Wenn aber so etwas nicht greifbar ist, werden Entscheidungsfindungen sehr stark beeinflusst. Man neigt dazu, eher eine Veranstaltung abzusagen, weil die Gefahr nicht greifbar, abstrakt, ist.

Ein Veranstalter und die zuständigen Behörden haben die Pflicht zur Fürsorge der Besucher oder Teilnehmer von Großveranstaltungen. Hier geht es nicht um ein "rundum sorglos" - Paket bei der ein Veranstaltungsteilnehmer neben dem gesunden Menschenverstand auch noch das "Lebensrisiko" an den Veranstalter abgibt und ihm jegliche Verantwortung überträgt. Etwas Eigenverantwortung darf es dann doch noch sein. Es geht vielmehr um einen Sicherheitsrahmen bzw. das Sicherheitsmanagement für eine Großveranstaltung, bei der sowohl der Veranstalter als auch die Genehmigungsbehörden in der Pflicht stehen. Hierbei soll und kann nicht jede noch so kleine individuelle Gefährdung für einzelne Personen in der Verantwortung des Veranstalters bzw. der Behörden liegen. Es muss aber der Rahmen abgesteckt werden, unter welchen organisatorischen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen eine Großveranstaltung genehmigt, abgesagt, unter- oder abgebrochen werden kann bzw. muss.

Wesentliche Elemente eines abgestimmten Sicherheits- und Veranstaltungskonzepts sind unter anderem eine Gefährdungs- und Risikobeurteilung, präventive Sicherheitsmaßnahmen, Reaktions- und Notfallpläne sowie ein funktionierendes Krisenmanagement. Weiter ist ein veranstaltungsinternes Incidentmanagement, bei denen Informationen (z.B. über die Wettersituation, Störungen und Abweichungen vom geplanten Ablauf) kontinuierlich und strukturiert erfasst werden, notwendig.

Bei Abweichungen vom Plan ist es unabdingbar, gezielt und nachvollziehbar zu handeln. Notfallpläne müssen insbesondere auch dahingehend ausgearbeitet werden, was zu tun ist, wenn eine Veranstaltung abgebrochen oder kurz vor Beginn abgesagt werden muss. Dazu gehört insbesondere auch eine Krisenkommunikation, die sowohl nach innen in die Organisation als auch nach außen in Richtung Teilnehmer wirkt. Und nicht zuletzt muss der Veranstalter im eigenen Interesse sicherstellen, dass das Veranstaltungs- und Sicherheitskonzept auch korrekt umgesetzt und während der Veranstaltung zuverlässig eingehalten wird. In anderen Branchen ist man da auch auf regulatorischer Seite bereits viel weiter. Dort gewinnen Aspekte wie Compliance und Governance zunehmend an Bedeutung und unterstützen den Verbesserungsprozess im Unternehmen.

Was zudem oft unterschätzt wird, ist der Umstand, dass bei der Veranstaltungsplanung auch darauf zu achten ist, ob die Veranstaltungsfläche für verschiedene Notsituationen ausgelegt ist. Nicht jede Fläche, die für den Normalbetrieb perfekt erscheint und es möglicherweise durchaus auch ist, erfüllt die Voraussetzungen zur sicheren Beherrschung von Notsituationen.

Die Entscheidung zu treffen, eine laufende Veranstaltung abzubrechen oder kurz vor Beginn abzusagen, bleibt nach allen aufgeführten Aspekten schwierig und ist nicht klar zu bestimmen. Eine Prüfung von vielen einzelnen Aspekten durch Experten und eine gemeinsame Entscheidung führt einen belastbaren Beschluss herbei. Zuletzt ist nicht zu vergessen, dass sich aus der Absage eine neue Art der Verantwortung gegenüber den Teilnehmern der Veranstaltung ergibt. Hier ist unbedingt eine korrekte Risikoabwägung erforderlich, die auch im Nachhinein Bestand haben sollte. Ein Veranstaltungsabbruch erzeugt neue Risiken, die es zu bewerten gilt. Dazu ist ein strukturiert arbeitender Organisationsstab des Veranstalters, der in enger Zusammenarbeit mit den Behörden agiert, unbedingt erforderlich.

Dass es immer noch sehr viele Großveranstaltungen gibt, die kein oder nur ein rudimentäres, der Bedeutung der Veranstaltung nicht mehr angemessenes Sicherheitskonzept haben, sollte schnell der Vergangenheit angehören. Hier sind sowohl die Genehmigungsbehörden als auch die Veranstalter in der Pflicht. Der Verweis auf "Brauchtum" und "Traditionsveranstaltung" kann nicht die Begründung dafür sein, dass das Sicherheitsniveau geringer ist, als bei anderen Veranstaltungen. Argumente, wie "gelebte Praxis" oder "es ist noch nie etwas passiert", zeugen von mangelndem Sicherheitsverständnis und -bewusstsein. Vielfach wird auch auf "Erfahrung" verwiesen. Was aber ist, wenn der "Erfahrene" nicht mehr dabei ist? Gerne wird auch "Erfahrung" mit "Können" gleichgesetzt oder verwechselt.

"Lass dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: »Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so!« - Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen" (Tucholsky).