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Ich muss mal Wacken!

Bass im Bauch, die Lautsprecher am Limit. So höre ich gern Musik.

Und ja, es darf hart sein, hämmernd und durch den Körper strömend. Was liegt da näher als ein Besuch beim Wacken Open Air, kurz W:O:A? Das steht seit langem auf meiner Bucket-List. Aber wie? Alleine? Nö, da fehlt der Mut! Also mit wem? Tochter und Mann sind für diese Musik (und das Camp) nicht zu gewinnen.

2019 bot sich die erste Chance: Tim, ein Freund, der seit vielen Jahren nach Wacken fährt, sah mich mit verschwitzt-strubbeligen Locken beim Misten im Stall und meinte spontan "Mit der Frisur nehme ich dich mit nach Wacken". Wow, yes, ich bin dabei! Die Freude währte nur kurz - Terminkollision mit einer wichtigen beruflichen Veranstaltung. Also vereinbarten wir, dass wir auf jeden Fall 2020 fahren würden. Was dann passierte, wisst ihr alle. Also sollte 2022 DAS Jahr werden!

Riesige Vorfreude und die Frage: Was brauche ich? Ich plane beruflich bedingt grundsätzlich generalstabsmäßig und lasse wenig Raum für Zufall. Mal schauen, ob der Ansatz auch hier passt. Gründliche Recherche ist die Grundlage des Erfolges. Also erste Anlaufstation: Die Wacken-Website. Da gibt es gute Tipps für Einsteiger und schon beim ersten Überfliegen stellte ich fest, dass es nicht nur um die Planung, sondern auch um die Beschaffung geht. OK, Shoppen kann ich mindestens genauso gut wie Planen. Ist also gar nicht schlimm, dass mein bestehendes Equipment den Aufenthalt im Camp nicht mal ansatzweise hergibt. Ich fange einfach mit den Basics an und arbeite mich dann an die Herausforderungen heran. Tadaaa, Klamotten und Gummistiefel stellen zum Glück keine Herausforderung dar. Mein Kleiderschrank gibt von schnittfester Schutzhose bis zum Ballkleid alles her und meine Schuhsammlung spiegelt den Inhalt der Garderobe perfekt. Also, der erste Haken auf der Packliste ist erledigt: Schwarze Klamotten, Gummistiefel, Hiking Boots, praktische Schlübber und Sport-BHs bilden die Basis, selbst Corsagen finde ich in den Tiefen der Ankleide.

Jetzt wird es schwierig, denn ich mag Komfort. Das ist untertrieben: Ich liebe Komfort! Und ich mag gründliches Duschen. Fitness-Training und Pferdestall erfordern das auch. Es ist quasi geschäumte Nächstenliebe und olfaktorischer Umweltschutz. Damit einher geht tägliches Haarewaschen - keine Frage! Die Liste der Annehmlichkeiten lässt sich beliebig fortsetzen: mein bequemes Sofa, kuschelige Bettwäsche und meine Memory-Foam-Matratze. Ich bin ja durchaus reflektiert, also fällt mir beim gedanklichen Durchgehen dieser Aufzählung deutlich auf, dass ich mit dieser Einstellung wahrscheinlich nicht mal zwölf Schritte weit, geschweige denn auf den Holy Ground, kommen werde. Mir fällt aber auch auf, dass ich es verdammt spannend finde, mal eine Woche anders zu leben. Also wird der Gedanke an ein Hotelzimmer oder das Moshtel fix verworfen. Meine Tochter leiht mir ihren Schlafsack. Amazon sagt, es gibt selbstaufblasende Luftmatratzen. Schnell bestellt und schnell geliefert. Mit dem Testen warte ich, bis mein Mann mal über Nacht unterwegs ist - ich weiß nämlich nicht, wie ich am nächsten Morgen aufstehen werde: Geschmeidig in einer einzigen flüssigen Bewegung? Oder werde ich eher an einen auf dem Rücken liegenden Käfer erinnern, unbeholfen auf den Bauch rollen, meinen schmerzenden Körper in den Vierfüßlerstand zwingen und mich daraus hoffentlich mit einer gewissen Restwürde auf die Beine stemmen? Es zeigt sich, dass die Matratze (zumindest für die eine Test-Nacht) hält, was sie verspricht: Ich stehe nicht gerade auf wie ein junges Reh, aber es knackt und knirscht auch nicht so schlimm wie erwartet. Und ich hab sogar erstaunlich gut geschlafen. Der nächste Haken ist also auf der Liste.

Jetzt wird es schwieriger: Was ist mit dem leiblichen Wohl? Erwähnte ich schon das Wort Komfort? Wacken bedeutet, soweit ich das gehört und gelesen habe, auch Biertrinken. Biertrinken ist grundsätzlich völlig OK. Einziges Hindernis: Ich trinke eines und muss für drei auf’s Klo. Aber Tim beruhigt mich: Weder herrscht Mangel an Klos, noch muss man unbedingt ins Dixie-Häuschen. Check, nächster Haken - läuft! Als nächstes, weil für mich essentiell: Die Ernährungsfrage. Ich esse gern und ich esse auch ordentliche Mengen - allerdings kein Fleisch. Wie verträgt sich das mit dem Bild "Wacken = Grillfleisch, viel Grillfleisch", das ich im Hinterkopf habe? Muss ich meinen Kofferraum in eine Speisekammer umwandeln? Schnelle Recherche: Überhaupt kein Problem, ich werde definitiv nicht tagelang von Pommes und Weißbrot leben müssen.

Joah, so war das. Alle Checklisten waren abgearbeitet, ich hatte große, reißfeste UND biologisch abbaubare Feuchttücher besorgt (Mengenangabe: "Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein."), ich hatte alles gepackt, ich konnte flüssig von der LuMa aufstehen und ich hatte das kleinste Reisegepäck ever zusammengestellt. Capsule Garderobe für viele unterschiedliche Kombinationen? Vergiss es! Der Geheimtipp ist monochrome Garderobe - schwarz ist bunt genug! Ich! War! Sowas! Von! Vorbereitet! Ich war quasi geistig schon angekommen und konnte die Bässe spüren. Nein! Stopp! Das waren nicht die Bässe. Das war der Vibrationsalarm meines Handys. Ein Anruf von Tim: eine Bandscheiben-OP. Und das Aus für den Traum von Wacken. Aber nur für 2022, denn dieses Jahr, dieses Jahr fahren wir! Und dann gibt es nach den vielen Haken auf meiner Preparation-Checklist endlich den großen Haken auf der Bucket-List: Einmal nach Wacken!